Viele Bauherren, Planer, Immobilieninvestoren und –eigentümer fragen sich derzeit, wann die Energieeinsparverordnung (EnEV) 2012 kommen wird. Ursprünglich hatte die Bundesregierung in ihrem Bericht für 2011 „Frühjahr / Sommer 2012 als Termin der nächsten Novellierung der EnEV genannt, doch bislang liegt sie noch nicht vor. Inzwischen gilt es unter Experten als wahrscheinlich, dass die neue EnEV erst 2013 in Kraft treten wird. Zugleich ist bereits eine rege Diskussion darüber im Gange, mit welchen Änderungen und Verschärfungen dabei zu rechnen sein dürfte.
Eingebettet in europäische Vorgaben
Die bevorstehende EnEV-Novellierung ist bereits die vierte Änderung dieses Regelwerks seit dem ersten Inkrafttreten zum 1. Februar 2002. Angesichts des üblichen parlamentarischen Weges und der dabei einzukalkulierenden Zeiträume ist es kaum wahrscheinlich, dass es noch vor Jahresende 2012 zu einer Novellierung kommt, zumal es sich dabei um nicht um eine rein deutsche Angelegenheit handelt. Vielmehr sind bei der Novellierung der EnEV auch zahlreiche europäische Vorgaben zu berücksichtigen und umzusetzen, was das ganze Verfahren noch komplexer macht. Das wird nicht zuletzt an der Zahl der beteiligten Ministerien deutlich. Federführend verantwortlich für das Projekt sind das Bundesbauministerium und das Bundeswirtschaftsministerium, doch sie müssen den von ihnen zu erarbeitenden Entwurf auch mit den Ressorts Umwelt, Verbraucherschutz, Justiz und Finanzen abstimmen. Wenn dies geschehen ist, bekommen die Verbände aus den betroffenen Branchen der deutschen Wirtschaft Gelegenheit, sich damit auseinanderzusetzen und ihre Meinungen im Rahmen von Anhörungen zum Gesetzentwurf vorzutragen.
EnEV-Novelle wohl nicht vor März 2013
Ein wesentlicher Grund dafür, dass der Gesetzgebungsprozess zur EnEV-Novelle noch nicht sehr weit vorangeschritten ist und hinter dem ursprünglichen Zeitplan der Bundesregierung zurückliegt, ist die Einbettung des Themas in Vorgaben auf europäischer Ebene. Denn novelliert wird nicht nur die EnEV, sondern auch das Energieeinspeisungsgesetz (EnEG 2009). Hintergrund ist, dass Deutschland damit – wie auch die anderen Mitgliedsländer der Europäischen Union – die Neufassung der europäischen Richtlinie zur Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden aus dem Jahr 2010 in nationales Recht umsetzen muss. Eigentlich schreibt die betreffende EU-Richtlinie vor, dass die entsprechenden nationalen Regelungen der Mitgliedsländer bis zum 13. Januar 2013 in Kraft treten müssen. Dass dies geschehen wird, ist angesichts des bisher erreichten Standes allerdings mehr als fraglich. Stattdessen wird inzwischen davon ausgegangen, dass die EnEV-Novelle wohl nicht vor Ende März 2013 verabschiedet werden und frühestens mit Beginn des zweiten Quartals 2013 in Kraft treten dürfte.
Ab wann sind die neuen Regelungen in der Praxis umzusetzen?
Sollte dies so kommen und die neue Fassung der EnEV zum 1. April 2013 Rechtskraft erlangen, dann wäre sie für alle von diesem Zeitpunkt an begonnenen Bauvorhaben maßgeblich. Haben Sie als Bauherr jedoch einen Bauantrag oder eine Bauanzeige bereits am 31. März 2013 oder früher gestellt, so muss sich Ihr Projekt noch nach den Vorgaben der „alten“ EnEV von 2009 richten. Rechtsverbindlich ist in jedem Fall die Druckfassung, die im Bundesgesetzblatt verkündet wird und auch das verbindliche Datum des Inkrafttretens enthalten wird.
Empfehlungen für Bauherren, Berater und Planer
Wer derzeit mit Planungen für ein neues Bauvorhaben befasst ist, sollte dabei zwei Punkte berücksichtigen: Zum einen empfiehlt es sich, die Regelungen der neuen EnEV schon so weit wie möglich zu antizipieren. Viele Investoren und Bauherren befürchten mit Recht Nachteile bei einer späteren Vermietung oder Weiterveräußerung eines Gebäudes, wenn dieses einem geringeren Standard entspricht als Gebäude von Wettbewerbern. Zum anderen aber ist beim Abschluss von Verträgen zu berücksichtigen, dass derzeit noch keine rechtsverbindlichen Aussagen zu den Anforderungen der novellierten EnEV und zu deren Inkrafttreten vorliegen. In der Praxis bedeutet das, dass sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Planer oder Berater vertraglich verpflichten kann, seine Leistungen nach dem Standard der novellierten EnEV 2012 / 2013 zu erbringen. Um Irritationen und eventuelle rechtliche Auseinandersetzungen zu vermeiden, sollten Sie als Berater oder Planer potenzielle Auftraggeber auch ausdrücklich – am besten schriftlich – darauf hinweisen, dass zurzeit an einer Novellierung der EnEV 2009 gearbeitet wird, deren Termine und Anforderungen bislang jedoch noch nicht in rechtsverbindlicher Form feststehen.
EU-Richtlinie und Energiekonzept der Bundesregierung
Neben EU-Richtlinie soll die EnEV-Novelle auch dazu beitragen, das Energiekonzept der Bundesregierung umzusetzen, wobei gemäß dem EnEG nur wirtschaftliche Maßnahmen gefordert werden dürfen. Zu den Zielen, die die EU-Kommission mit der Richtlinie verfolgt, zählen die Erhöhung der Energieeffizienz um wenigstens 20 Prozent bis zum Jahr 2020 und die Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen im Vergleich zum Stand von 1990 um 20 Prozent; zugleich soll der auf erneuerbare Energien entfallende Anteil am Gesamtenergieverbrauch bis 2020 auf 20 Prozent gesteigert werden. Im Baubereich sind die einzelnen EU-Staaten durch die Richtlinie zum Erlassen vorn Verordnungen verpflichtet, die Maßnahmen enthalten, mit denen die genannten Ziele erreicht werden sollen.
Nur noch Niedrigstenergiehäuser
So sollen Neubauten ab 2021 generell nur noch als so genannte Niedrigstenergiegebäude errichtet werden; für Neubauten der öffentlichen Hand soll dies bereits ab 2019 gelten. Gemeint ist damit, dass neue Gebäude nur noch einen sehr niedrigen Energiebedarf haben sollen, der zudem überwiegend aus erneuerbaren Energiequellen gedeckt wird. Dabei soll die Energie möglichst direkt am Standort oder zumindest in dessen Nähe erzeugt werden. Eine der Aufgaben im Zusammenhang mit der EnEV-Novellierung ist es, die konkreten Kriterien und Eckdaten zu definieren, die ein Niedrigstenergiegebäude erfüllen muss. Ein weiterer Aspekt ist die Nutzung alternativer Energietechnik. Künftig sollen Planer bei größeren Maßnahmen im Bestand sowie bei Neubauten stets prüfen, inwieweit hocheffiziente, alternative Energiesysteme infrage kommen und ob sich diese aus technischer, ökologischer und wirtschaftlicher Sicht für das Projekt einsetzen lassen.
Neue Aushang- und Kontrollpflichten für Energieausweise
Der Energieausweis wird künftig noch stark an Bedeutung gewinnen. So soll es künftig Pflicht sein, einen Energieausweis nicht nur in öffentlichen Dienstleistungsbauten, sondern auch in anderen Gebäuden mit größerem Publikumsverkehr auszuhängen. Zu diesen Gebäuden zählen beispielsweise Kultureinrichtungen wie Theater oder Kinos, aber auch Hotels, Kaufhäuser und ähnliche Bauten. Zunächst soll die Aushangpflicht erst ab einer Gesamtnutzfläche von 500 Quadratmetern gelten, von Mitte 2015 an jedoch auch schon für Gebäude mit mehr als 250 Quadratmetern. Darüber hinaus ist die Einführung eines Kontrollsystems für Energieausweise sowie für Inspektionsberichte vorgesehen. Dabei soll jeweils ein statistisch signifikanter prozentualer Anteil an den jährlich erstellten Energieausweisen und Inspektionsberichten kontrolliert werden. In Deutschland wird in diesem Zusammenhang erwogen, eine offizielle Liste der Aussteller von Energieausweisen einzuführen, die durch das Deutsche Institut für Bautechnik in Berlin geführt werden könnte.
Eine Berechnungsmethode für die gesamte EU
Im März 2012 hat die EU-Kommission eine sogenannte delegierte Rechtsakte veröffentlicht, die zwar selbst keinen Gesetzescharakter hat, den Mitgliedsländern aber einen Rahmen für eine Vergleichsmethode für bestimmte Berechnungen verordnet, mit denen die an die Gesamtenergieeffizienz von Gebäuden zu stellenden Mindestanforderungen und deren kostenoptimale Niveaus ermittelt werden sollen. Dies gilt neben Gebäuden auch für Gebäudekomponenten wie gebäudetechnische Systeme oder Komponenten der Gebäudehülle. Aufgrund der einheitlichen Berechnungsmethode sollen die Mindestanforderungen künftig EU-weit vergleichbar sein. Ziel ist es dabei, kostenoptimale Niveaus in den einzelnen Mitgliedsländern für öffentliche Gebäude ab 9. Januar 2013 sowie für privatwirtschaftliche Gebäude ab 9. Juni 2013 zu erreichen.
Zielsetzungen der deutschen Bundesregierung
Zu den Zielen, die die Bundesregierung parallel zu den Vorgaben auf EU-Ebene im Rahmen ihres Energiekonzepts erreichen will, gehört die Verringerung des Wärmebedarfs im Gebäudebestand um 20 Prozent bis 2020, wobei die Bundesbauten mit guten Beispiel vorangehen sollen. Der Primärenergiebedarf soll im Bestand bis zum Jahr 2050 um 80 Prozent reduziert werden. Außerdem soll bis zu diesem Zeitpunkt ein flächendeckender klimaneutraler Bestand erreicht sein. Desweiteren soll für den Baubestand ein Sanierungsfahrplan erarbeitet werden, und ab 2012 sollen bereits klimaneutrale Neubauten eingeführt werden.
Mögliche Änderungen der EnEV
Neben den bereits erwähnten Punkten, die mit der Novellierung der EnEV umgesetzt werden sollen, erwarten Fachleute eine Reihe von weiteren Änderungen und Verschärfungen. So gilt es als wahrscheinlich, dass relevante Auslegungen in der Praxis in der Novelle offiziell berücksichtigt werden und dass in der EnEV voraussichtlich auf die neueste Fassung von DIN V 18599 vom Dezember 2011 verwiesen werden wird, die sich mit der Energetischen Bewertung von Gebäuden befasst. Die vereinfachte und als „EnEV easy“ bezeichnete Methode wird in der neuen EnEVFassung wahrscheinlich auch für nichtgekühlte Wohnbauten vorgesehen werden, aber nicht zu Nachweise für die KfW-Effizienzhäuser. Bei gekühlten Wohngebäuden wird jedoch voraussichtlich nur eine Berechnung nach der vollständigen DIN V 18599 zulässig sein.
Wirtschaftlichkeitsgebot gilt auch für EnEV-Novelle
Das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß Paragraf 5 Absatz 1 EnEG 2009 ist auch für die Novellierung der EnEV verbindlich. Vor diesem Hintergrund hat das Bundeswirtschaftsministerium bereits die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen von Änderungen der EnEV untersucht und ist dabei beispielsweise zu der Erkenntnis gelangt, dass es wirtschaftlich nicht realisierbar wäre, eine 30-prozentige Verschärfung bei Neubauten umzusetzen. Kleinere Veränderungen erwarten Experten bei den Kennwerten des Referenzgebäudes für die Ermittlung der an den jährlichen Primärenergiebedarf neuer Wohngebäude zu stellenden Anforderungen, wo möglicherweise statt einer Zweifach- nunmehr eine Dreifachverglasung vorgesehen werden könnte. Bei neuen Nichtwohngebäuden sollen voraussichtlich keine Änderungen der Kennwerte im Referenzgebäude erfolgen, und auch im Bestand dürften die von vielen Investoren und Bauherren befürchteten Verschärfungen wohl bis auf kleinere Ausnahmen ausbleiben. Endgültige Aussagen darüber sind allerdings erst dann möglich, wenn der rechtsverbindliche Text der neu gefassten EnEV vorliegt. Bis dahin sollten Sie als Bauherr oder Planer die Entwicklung möglichst aufmerksam verfolgen und vor wichtigen Entscheidungen gegebenenfalls den Rat eines mit der Materie gut vertrauten Fachexperten einholen, um unnötige Kosten und rechtliche Risiken zu vermeiden.
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